Nicht nur eine Frage der persönlichen Einstellung

Menschen mit Armutserfahrung und der Klimawandel

„Menschen mit Armutserfahrung können viele Anforderungen an den Klimaschutz nicht umsetzen‟,  erklärt Jürgen Schneider vom Armutsnetzwerk. Nicht, weil sie nicht möchten oder wollten, sondern weil es die Lebenssituationen nicht zuließen. Schneider hat deshalb klare Forderungen zu den Themen Wohnen, öffentlicher Nahverkehr und Kleidung.

Von Jürgen Schneider

Jürgen Schneider
Jürgen Schneider

Wohnen

Natürlich beschäftigen sich viele Menschen mit Armutserfahrung auch mit dem wichtigen Thema Klima. Eine wichtige Frage ist in meinen Augen: Wie sollen Menschen, die oft in komplizierten Wohnverhältnissen wohnen, aufs Klima achten? Umbauten, um Energie zu sparen, gehen oft nicht, weil selten im Eigenheim gewohnt wird. Vermieterinnen und Vermieter verweigern Umbauten, die auch das Klima schonen würden. Schaut man in manche Wohnverhältnisse, können sie nicht als klimafreundlich beschrieben werden, sondern eher als „Absteige“, und es ist ein „Hausen“ und kein Wohnen.

Wohnen ist ein Menschenrecht, und da ist noch viel zu tun. Da werden Verantwortungen hin und her geschoben. Das betrifft in großen Städten mittlerweile auch Menschen mit gutem Verdienst. Es sind momentan positive Veränderungen in der Wohnungspolitik auf dem Weg, aber es reicht nicht aus, solange große Konzerne auf Kosten der Menschen dickes Geld damit verdienen.

Öffentlicher Nahverkehr

Auch der öffentliche Nahverkehr ist sehr teuer. Es soll ja klimafreundlich sein, mit Bus und Bahn zu fahren. Wie aber soll man als Mensch mit Armutserfahrung diese Verkehrsmittel nutzen, wenn man sich keine Tickets leisten kann? Schaut man die Situation in Wien an, kostet da das „Sozialticket“ momentan 18 Euro im Monat. Vergleicht man Köln damit, da kostet es momentan 37,10 Euro. Wenn man immer auf den Klimawandel hinweist, sollte es auch möglich sein, dass Menschen klimafreundlich Busse und Bahnen benutzen können. Noch immer sind Menschen mit Armutserfahrung auf dem Land oft abgeschnitten, weil manchmal nur ein Schulbus fährt. Das sind Situationen, die man keinem Menschen wünscht.

Bekleidung

Bei der Bekleidung ist es auch so eine Sache: Gute Bekleidung aus guten Stoffen kostet auch sehr viel. Gerne würde man als Mensch mit Armutserfahrung beim Einkauf von Kleidung, bei der Herstellung der Bekleidung, den Umweltaspekt mit einfließen lassen. Wie soll das möglich sein mit dem wenigen Geld, das vorhanden ist? Alternativen sind Billigkleidung aus dem Discounter, die oft eine fragwürdige Herkunft hat. Kann man außerdem sicher sein bei angeblich billiger umweltfreundlicher Bekleidung, das dem auch so ist?

Persönliches Fazit

Der Klimawandel ist ein wirkliches Problem geworden. Oder war das Problem schon immer da, nur ist, wie schon so oft, zu spät reagiert worden?

Menschen mit Armutserfahrung können viele Anforderungen an den Klimaschutz nicht umsetzen. Nicht, weil sie nicht möchten oder wollen, sondern weil es die Lebenssituationen nicht zulassen. Es ist selbstverständlich auch eine persönliche Einstellung. Die Voraussetzungen, um sich am Klimaschutz beteiligen zu können, müssen aber erst geschaffen werden. Denn der Klimawandel geht alle an und alle sollen etwas dazu beitragen können. Die Forderungen sind ja klar dargestellt:

  • Besseres Wohnen, um sich auch wohlzufühlen, um sich mit dem Klima beschäftigen zu können,

  • Bessere und günstigere Möglichkeiten zur Nutzung des Nahverkehrs,

  • Bekleidung, die auch bezahlbar ist und bei der Herstellung den wichtigen Umweltaspekt beinhaltet, damit man guten Gewissens diese Kleidung auch kaufen kann.

Autor

Jürgen Schneider ist Mitbegründer des Armutsnetzwerkes . Seine Schwerpunkte sind Wohnungslosigkeit und Armut aus verschiedenen Aspekten und Digitalisierung.

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