Butterwegge: Soziale Ungleichheit durch Pandemie deutlicher geworden

epd-Landesdienst West, Nr. 158 | 18.08.2021

epd-Gespräch: Franziska Jünger

Köln (epd). Soziale Ungleichheit ist in Deutschland laut dem Armutsforscher Christoph Butterwegge in der Corona-Pandemie weiter verstärkt worden. „Ein Virus, das alle Menschen gleich schlecht behandelt, trifft auf soziale Ungleichheiten, die dadurch klarer zutage treten“, sagte Butterwegge dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der ehemalige Professor für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln verweist beispielsweise auf die Wohnungs- und Obdachlosen, die während der Lockdowns nicht zuhause bleiben konnten, oder Werksvertragsarbeiter in der Fleischindustrie, die sich sowohl an ihrem Arbeitsplatz als auch in ihren Gemeinschaftsunterkünften leichter anstecken konnten.

Positiv sei, dass die großen Unterschiede in den Lebensbedingungen durch die Corona-Pandemie stärker wahrgenommen würden, etwa auch im Bereich der Bildungschancen, erklärte der Wissenschaftler: „Vielen Menschen ist durch die Pandemie erst bewusst geworden, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob ein Kind im Eigenheim der Eltern mit Garten aufwächst und wie selbstverständlich digitale Endgeräte zur Verfügung hat, oder ob es mit seiner Familie in einer Zwei- oder Dreizimmerwohnung ohne Balkon lebt und sich den Computer mit Eltern und Geschwistern teilen muss.“

Grundlegend für die soziale Ungleichheit im Land seien die sehr unterschiedlichen Vermögens- und Einkommensverhältnisse. 1,9 von 13,6 Millionen Kindern und Jugendlichen im Land lebten in sogenannten Hartz-IV-Familien. Besonders von Armut bedroht seien in Deutschland Arbeitslose, Alleinerziehende und Menschen ohne deutschen Pass und ihre Familien.

Um soziale Ungleichheit auf politischer Ebene zu bekämpfen fordert Butterwegge einen höheren Mindestlohn von über 12 Euro sowie eine höhere Besteuerung von Wohlhabenden und besonders reichen Menschen. Zudem sei eine solidarische Bürgerversicherung geboten, in die alle einzahlen und die die solide Grundlage für eine soziale Grundsicherung lege. Diese könne dann anders als Hartz IV armutsfest und bedarfsgerecht sein und ohne Sanktionen auskommen.

Nach einer Konvention der Europäischen Union ist armutsbedroht, wer in einem Mitgliedsland weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Nach Zahlen von 2019, also vor der Pandemie, ist das bei einem Alleinstehenden in Deutschland der Fall, wenn er weniger als 1.074 Euro im Monat zur Verfügung hat. Hat ein Paar zwei Kinder unter 14 Jahren, liegt die Armutsrisikoschwelle der Familie bei 2.255 Euro. Rund 2,8 Millionen Kinder unter 18 Jahren wachsen in diesen Familien auf.

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