Es geht um Geld, Bildung, Gesundheit und Teilhabe

Kindergrundsicherung

Die Evangelische Kirche im Rheinland hat in ihrer jüngsten Landessynode die Forderung nach einer Kindergrundsicherung bekräftigt. Ulrich Hamacher, Vorsitzender der landeskirchlichen Fachgruppe Sozialethik und Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Bonn und Region, erläutert im Interview, warum die Kindergrundsicherung nötig ist und was die Landeskirche und Gemeinden dafür tun können.

Wie sieht Kinderarmut in Deutschland nach Ihren Erfahrungen heute aus?

Kinder aus armen Familien erhalten nicht das Geld für ihre Grundbedürfnisse: dabei sein, wenn andere ins Schwimmbad gehen, ein weiteres Paar Sportschuhe für den Fußballplatz, das Geschenk für den Kindergeburtstag der Mitschülerin oder des Mitschülers. Sie erhalten wenig Unterstützung für die Schule, ihre Gesundheit ist tatsächlich oft schlechter. Es geht also um Geld, um Bildung, um Gesundheit und Teilhabe.

Die Evangelische Kirche im Rheinland spricht sich für eine Kindergrundsicherung als Mittel gegen die Armut von Kindern und Jugendlichen aus. Warum ist diese Kindergrundsicherung nötig?

Es wird einiges getan gegen die Folgen von Kinderarmut. Oft durch die Kommunen, beim Thema Offene Ganztagsschulen auch vom Land. Aber die finanzielle Situation der Kinder und ihrer Familien bleibt unverändert. Der Bund hat das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt, aber das ist ein bürokratisches Monster und erreicht nach Untersuchungen nur etwa ein Drittel der Kinder, die es bräuchten.
Die Kindergrundsicherung würde das ändern, wenn sie gut ausgestaltet würde: Alle Kinder erhalten die Grundsicherung, so ähnlich wie jetzt das Kindergeld.

Was kann die Landeskirche konkret tun?

Sie kann vor allem das Anliegen in die öffentliche Diskussion bringen, mitreden, wenn im politischen Bereich darüber diskutiert wird. Die meisten politischen Parteien haben dazu Vorschläge gemacht.
Sie kann mit der vorliegenden Studie von Frau Irene Becker und mit eigenen Argumentationen dazu beitragen, dass die Diskussion sachlich und zielorientiert geführt wird.

Welche Möglichkeiten gibt es auf der Ebene von Gemeinden und Kirchenkreisen?

Zum Ersten dieselben wie für die Landeskirche. Aber noch viel mehr: Sie können die Situation armer Kinder in gemeindlichen Gruppen und Kreisen thematisieren, bei kirchlichen Angeboten für Kinder und Jugendliche darauf achten, dass sie allen zugänglich sind. Sie können in der Jugendarbeit mit Jugendlichen gemeinsam Aktivitäten zum Thema entwickeln.

Was muss geschehen, damit die Forderung politisch umgesetzt wird?

Wir müssen denen politisch den Rücken stärken, die Kinder- und Familienarmut tatsächlich bekämpfen wollen.
Am Ende geht es nicht ohne ein im Deutschen Bundestag verabschiedetes Gesetz zur Einführung einer Kindergrundsicherung – inklusive all der sozialpolitischen und gesetzgeberischen Kleinarbeit, die nötig ist, um das in die bestehenden Sozialsysteme einzupassen. Dazu gehört zum Beispiel andere Leistungen zu streichen, wenn sie mit der Kindergrundsicherung überflüssig werden.