Christen und Christinnen mit Rechtsdrall

Antipluralismus, Antiliberalismus und Ethnopluralismus sind für die Publizistin Liane Bednarz die Säulen des Rechtspopulismus. Selbstverharmlosend bezeichneten sich deren Vertreterinnen und Vertreter gerne als konservativ. In ihrem Denken bestünden zudem große Anknüpfungspunkte zu rechtschristlichen Milieus.

Von Liane Bednarz

Viel ist seit einigen Jahren über rechte Christen und Christinnen, „Christen in der AfD“, über Begriffe wie „rechts“, „rechtsradikal“ oder „völkisch“ zu hören. Oftmals weiß man nicht, um was genau es dabei geht. Und erst recht ist für zahlreiche Menschen unklar, worin der Unterschied zwischen „rechts“ uns „konservativ“ eigentlich besteht. Zeit für eine Positionsbestimmung.

Das klassische konservative Denken, so wie man es in der Bundesrepublik vor allem aus den „C“-Parteien, also der CDU und CSU kennt, ist klar einkreisbar. Im Habitus, also der Art des Blicks auf die Welt, sind Konservative nicht reaktionär, sondern bewahrend. Sie sind nicht gegen den Fortschritt, aber möchten diesen verträglich gestalten, also so verlangsamen, dass alle sich mitgenommen fühlen. Inhaltlich stehen sie für Werte wie Heimat, Familie, Nation und Tradition. Aber sie verstehen diese Werte nicht ausgrenzend, sondern gestehen zum Beispiel Zuwandererinnen und Zuwandern zu, hier bei uns eine neue oder zweite Heimat zu finden, solange sie sich integrieren. Zugleich vertreten Konservative all das zwar leidenschaftlich, sehen sich selbst aber dennoch als eine von vielen Stimmen im Konzert der pluralistischen Demokratie. Sie streiten für ihre Interessen, betrachten Andersdenkende aber nicht als Feinde.

In der Tradition völkischen und antidemokratischen Denkens

Das rechte Denken unterscheidet sich hingegen ganz grundlegend von diesem Konservatismus. Es ist wichtig, die zentralen Unterschiede zu kennen, weil Rechte sich aus strategischen Gründen gerne als „konservativ“ selbstverharmlosen.

Heutige Rechtspopulisten und Rechtspopulisten sowie die „Neue Rechte“, und auch das muss man wissen, grenzen sich dezidiert von der alten Rechten und deren Hitlerverehrung und Holocaustleugnung ab. Stattdessen knüpfen sie an völkische antidemokratische Rechtsintellektuelle der Weimarer Republik an, darunter etwa Oswald Spengler, der 1918 ein Buch mit dem Titel „Der Untergang des Abendlands“ publizierte, und den Staatsrechtler Carl Schmitt.

Das Denken der heutigen Neuen Rechten fußt auf im Kern drei Säulen: Antipluralismus, Antiliberalismus und Ethnopluralismus. Bedauerlicherweise hat es auch Einzug in manche christlich-konservative Milieus gehalten. Innerhalb des Protestantismus finden sich diese Milieus im Evangelikalismus, und zwar sowohl innerhalb der Landeskirchen als auch in Freikirchen. Wohlgemerkt: Die meisten Evangelikalen sind nicht so, grenzen sich sogar davon ab. Es geht nur um eine Teilmenge. Innerhalb des Katholizismus sind Christinnen und Christen mit Rechtdrall unter Traditionalisten anzutreffen, also unter Leuten, die das Zweite Vatikanum kritisch sehen oder ablehnen sowie unter manchen Anhängern des früheren deutschen Papstes Benedikt XVI., die während seines Pontifikats ihre eigene „Papsttreue“ betonten, aber seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus alles andere als papsttreu sind und diesen etwa als „Plapperpapst“ verspotten.

Anknüpfungspunkte zu rechtschristlichen Milieus

Womit wir bei der ersten Säule des rechten rechtschristlichen Denkens wären: dem Antipluralismus. Damit ist gemeint, dass man von sich selbst glaubt, im Besitz der politischen Wahrheit zu sein bzw. die Stimme des Volkes darzustellen. Hier bestehen große Anknüpfungspunkte zu rechtschristlichen Milieus, die dazu neigen, politreligiös zu sein und ihre eigene, sehr enge Interpretation der Bibel inklusive Wahrheitsanspruch des Christentums auf die Politik zu übertragen. Menschen mit anderer Ansicht werden feindlich verächtlich gemacht, während man für sich selbst Meinungsfreiheit fordert. So schimpfte etwa der katholische Publizist Matthias Matussek über die „Lückenpresse“. Der Dominikanerpriester Wolfgang Ockenfels, der im Rheinland sehr bekannt ist und früher Professor für Sozialethik in Trier war, inzwischen aber im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung sitzt, ging auf einem AfD-Kongress in Berlin im März 2017 sogar so weit, zu sagen, man sollte AfD-kritische Bischöfe als „Herr Hohlkopf“ anreden.

Angela Merkel als Feindbild

Gerne wird in der Szene auch so getan, als lebten wir hier in einer Art Diktatur, gegen die man „Widerstand“ leisten müsse. Das war so, vor allem weil Angela Merkel ein Feindbild der Christen und Christinnen mit Rechtsdrall ist, nicht nur während der Flüchtlings-, sondern auch während der Corona-Krise. Dabei zeigten ausgerechnet nicht wenige Christen, die dezidierte Abtreibungsgegner sind und sich als „Lebensschützer“ verstehen und von denen man eigentlich Rücksicht erwarten würde, ausgesprochene Ressentiments gegen die Corona-Schutzmaßnahmen und sympathisierten mit den „Querdenkern“, die von einer „Corona-Diktatur“ sprachen.

Mit dem Antiliberalismus und damit der zweiten Säule des rechten Denkens ist die Ablehnung der westlichen Moderne gemeint. Man betrachtet diese als dekadent. Das äußert sich bei Christinnen und Christen mit Rechtsdrall vor allem in einer maßlosen Kritik an dem, was sie „Genderwahn“ nennen. Ebenso wird der Abbau von Diskriminierungen zu Lasten von Nicht-Heterosexuellen mit Kampfbegriffen wie „Homo-Lobby“ oder „Homosexualisierung“ etikettiert. Eine profunde Theologie, die ablehnende Bibelstellen zur Homosexualität in ihrem historischen Kontext einordnet und aufzeigt, dass damit Prostitution oder Herren-Slaven-Verhältnisse gemeint sind, nicht aber um heutige Lebensgemeinschaften, wird konsequent ignoriert.

Ausgeprägte Ressentiments gegenüber dem Islam

Bei der dritten Säule des rechten Denkens, dem Ethnopluralismus, schließlich geht es nicht etwa um „Diversity“, sondern um Ausgrenzung. Kulturen sollen möglichst unter sich bleiben. Bei Christen und Christinnen mit Rechtdrall manifestiert sich diese Denkweise in ausgeprägten Ressentiments gegenüber dem Islam. Während beide Großkirchen die Eigenständigkeit des Christentums betonen, zugleich aber für einen nicht-synkretistischen, also nicht-religionsvermischenden Dialog mit Muslimen eintreten, machen Christen und Christinnen mit Rechtsdrall pauschal Stimmung gegen den Islam. Oder verteidigen die Pegida-Bewegung, die behauptet, gegen eine angebliche „Islamisierung des Abendlands“ auf die Straße treten zu müssen.

Man bleibe also wachsam, wann immer sich Christen und Christinnen mit Rechtsdrall verharmlosend als „konservativ“ bezeichnen und schaue genauer hin.

Autorin

Liane Bednarz ist Publizistin und promovierte Juristin mit dem Schwerpunkt Neue Rechte, Populismus und religiöse Bewegungen. Ihr Studium absolvierte sie in Passau, Genf und Heidelberg.

Sie ist regelmäßige Gastkommentatorin (online) beim SPIEGEL und betreibt gemeinsam mit dem Publizisten Alan Posener den Blog Starke Meinungen . Weitere Texte wurden im Tagesspiegel, in der NZZ, der FAS und dem „Freitag“ publiziert. Liane Bednarz lebt in Hamburg und ist eine gefragte Gesprächspartnerin der Medien und der Kirchen. Im Frühjahr 2018 erschien im Droemer-Verlag ihr neuestes Buch „Die Angstprediger – Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern“. Die FAZ befand in ihrer Rezension, dass es sich um ein „rationales, gut argumentierendes Buch“ handele und schrieb weiter: „Es trägt zu einer sachlichen Debatte bei, legt den Finger in die Wunde und lässt die Luft aus so manchem Popanz, den die religiöse und politische Rechte aufgebaut haben.“

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